Der Haushälter

Eine neue Bahnreform

Der Bahn geht es schlecht: Das Personal streikt, viele Züge sind defekt, dazu schiebt das Unternehmen einen riesigen Schuldenberg von bald 20 Milliarden Euro vor sich her. Und das, obwohl das Unternehmen zum Start 1994 Jahren komplett entschuldet wurde. Wege, wie die Bahn zu retten ist.

Bei einer seiner vielen legendären Reden rechnete es Franz-Josef Strauß einmal vor: Würde man die Neuverschuldung des Bundes für das Jahr 1979, immerhin 35 Milliarden D-Mark, in 100-Mark-Scheinen aufeinander legen, ergäbe sich ein Berg von 35 Kilometern Höhe. Er hätte ein Gewicht von 28.000 Tonnen. Mit der Bahn befördert, würde man für diese Menge Papiergeld 186 Wagons á 15 Tonnen Nutzlast benötigen – also mehr als 120 Güterzüge mit der Höchstzahl von 120 Achsen.

Der Schuldenberg der Deutschen Bahn AG überragt inzwischen den Money-Mountain von 1979. 2017 beliefen sich die Verbindlichkeiten schon auf stolze 18,7 Milliarden Euro. Der Fehlbetrag wäre noch höher, doch der Bund verzichtete auf Dividenden und griff seinerseits mit einer Finanzspritze von einer Milliarde Euro unter die Arme. Effekt? Quasi null. Laut integriertem Finanzbericht des DB-Konzerns sind 100 Prozent des Eigenkapitals inzwischen wieder durch Schulden gebunden. Finanzexperten halten bei solchen Werten Kapitalmaßnahmen für dringend geboten. Wir können also darauf warten, dass die Bahn bald wieder die Hand beim Bund auf hält.

Dabei wurde die Deutsche Bundesbahn im Zuge der Bahnreform 1994 durch Steuergeld komplett entschuldet. Die aus ihr entstandene Deutsche Bahn AG startete also unbelastet – mit Wettbewerbsvorteil. Und heute? Freuen Sie sich auf Ihre nächste Bahnfahrt?

Stand heute: Verspätungen, weil ein ICE nicht gekoppelt werden kann. Gleiswechsel, weil ein kaputter Regionalzug die Strecke verstopft; Zugausfall, weil eine Weiche blockiert; ungeplante Bahnhofsdurchfahrten, weil die Zeit plötzlich knapp wird.

Die Deutsche Bahn AG ist eine merkwürdige Konstruktion: Sie ist Organisationsprivatisiert –  wo und wie die Bahn fährt, wann sie hält und wo sie durchrauscht, entscheidet das Unternehmen ohne staatlichen Einfluss selbst. 100 Prozent der Aktien des Unternehmens gehören dem Bund. Sie werden nicht gehandelt. Das ehemalige Sondervermögen Deutsche Bundesbahn bleibt Vermögen des Bundes. Mit allen guten und schlechten Effekten. Und weil es einen verfassungsrechtlichen Auftrag zur Bereitstellung von Schienenverkehrsinfrastruktur gibt, darf der Bund jährlich einen großen und immer größer werdenden Scheck in Richtung Bahntower abschicken.

Die Liste der Unternehmen, die zum DB-Konzern gehören, ist lang. Da sind die Bahn-Töchter DB Netz, DB Station & Service und DB Regio. Klassiker. Die einen kümmern sich um den Betrieb des Netzes, die anderen um die mehr oder minder hübschen Bahnhöfe und DB Regio lässt den RE1 zwischen Magdeburg und Frankfurt (Oder) fahren – oder auch nicht. Denn die Zusammenarbeit zwischen den Konzerntöchtern läuft wie in jeder Familie: mal gut und mal weniger gut. So kann es eben vorkommen, dass der Fahrkartenautomat von DB Vertrieb so auf dem Bahnsteig von DB Station & Service platziert wird, dass die Kunden von DB Regio auf dem Display gar nichts erkennen können. Wenn denn überhaupt die Energieversorgung von DB Energie rechtzeitig angeschlossen wurde.

Zum DB-Konzern gehören aber eben auch Unternehmen, die sozusagen gar nicht zum Kerngeschäft gehören. Da ist zum Beispiel Arriva. Die Konzerntochter bewegt Menschen in 14 Ländern weltweit: in Dänemark, Großbritannien, Italien, Kroatien, den Niederlanden, in Polen, Portugal, Schweden, Serbien, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn. Aber natürlich nicht in Deutschland. Oder DB Schenker, nach eigenem Bekunden einer der führenden Anbieter globaler Logistikketten. DB Engineering & Consulting plant weltweit Eisenbahnstrecken und bringt deutsches Know-How auf die Schiene. Nicht auf die deutsche, versteht sich. Karl V und Bahnchef Lutz haben eines gemein: In ihrem Reich geht die Sonne nie unter.

Ist es Aufgabe des Staates, einen internationalen Logistikkonzern zu besitzen? Zumal, wenn er den Fiskus Jahr für Jahr viele Euros kostet? Wenn die Zufriedenheit der Kunden sinkt? Wenn nur gut 70 Prozent der Züge überhaupt pünktlich – also weniger als sechs Minuten verspätet – fahren?

Die einfache Alternative ´Verkauft doch die Bahn!` lässt sich aber nicht so einfach umsetzen. Nach wie vor werden tausende Beamte aus der Deutschen Bundesbahn bei der DB AG beschäftigt. Die Versorgungswerke für Bahnbeschäftigte sind heute im so genannten Bundeseisenbahnvermögen (BEV) gebündelt. Ihm sind auch die Grundstücke der Bundesbahn zugeordnet, die heute nicht mehr für den Verkehr gebraucht werden und deshalb zum Verkauf stehen.

Bei der Verwertung dieser Liegenschaften lassen sich Bundesverkehrsministerium und BEV viel Zeit. Mehr als 20 Jahre nach der Bahnreform ist nahezu alles beim Alten. Obwohl der Wohnraum in deutschen Ballungsgebieten immer knapper wird. Das BEV selbst war nur als Übergangslösung gedacht; seine Auflösung schon im Gründungsgesetz geregelt. Nur das Verkehrsministerium denkt nicht im Traum daran, sich vom Beamtenapparat zu trennen. Die Schildkröten-Taktik hat Methode. Egal, ob es die Abwicklung des BEV oder der Deutschlandtakt ist – ausharren, abwarten, aussitzen.

Haushälter und Fachpolitiker sind sich fraktionsübergreifend einig: So kann es nicht weitergehen, auch wenn mancher öffentliche Kritik scheut.

Der Bahn hilft nur eine zweite Reform. Dabei geht es nicht um den totalen Ausverkauf, den Markt, der die Misere der Bahn in Gänze wird lösen können. Nehmen Sie das Netz: Mit ihm ist kein Geld zu verdienen. Da reicht ein Blick nach Großbritannien. Helfen kann hier eine konsequente Trennung von Netz und Betrieb. Also die Herauslösung der Infrastruktur-Tochterunternehmen aus dem DB-Konzern. Das Netz bliebe fortan Eigentum des Bundes. Der Unterschied: Der Transport von Menschen ist kein staatlicher Auftrag, die Bereitstellung von Gleisen und Bahnhöfen aber schon.

Was wir brauchen, was die DB AG braucht, ist echter Wettbewerb. Zahlreiche kleine Privatbahnen sind heute schon in unserer Republik auf Nebenstrecken unterwegs; wirtschaftlich erfolgreich, pünktlich, in modernen Zügen. Wo diese Privatbahnen fahren dürfen, entscheidet der Monopolist DB AG. Zumeist sind das die Strecken, von denen die Bahn die Finger lässt, weil sie sie nicht kostendeckend bedienen kann. So kann kein echter Wettbewerb um die besten Konzepte entstehen – smarter, digitaler, kundenfreundlich.

Dabei sind die Probleme der Bahn hausgemacht. Wer sein Management wie das einer obersten Bundesbehörde aufzieht, kann nicht den Output eines agilen Start-ups produzieren. Die Bahn geriert sich als Auffangbecken für ehemalige Spitzenpolitiker –  Pofalla und Co. sind der Beweis: Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer und wird es auch nie sein. Nicht die Vorbereitung auf eine Teilprivatisierung ist die Malaise, sondern das Managementversagen von Ramsauer, Dobrindt, Scheuer und auch Merkel.

Dass es auch für den Umgang mit den verbliebenen Bahn-Beamten eine Lösung gibt, zeigt das Beispiel Deutsche Bundespost. Drei große Reformpakete waren notwendig, um aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost die drei Unternehmen Deutsche Telekom AG, Deutsche Post AG und Deutsche Postbank AG zu formen. Alle drei bestehen heute im internationalen Wettbewerb, überwacht von einer starken Regulierungsbehörde. Ich sehe keinen Grund, weshalb das bei der Deutschen Bahn nicht funktionieren sollte – außer vielleicht mangelnden Willen.

NEWSFEED

[custom-facebook-feed]

FBB: Wann ist man eigentlich pleite?

Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg hat mit dem Jahrzehntebau BER nicht nur zu lang gebraucht, sondern auch weit mehr als sieben Milliarden Euro im märkischen Sand verbuddelt. Dem Staat fehlt die Kompetenz, die Gesellschaft aus dem Geflecht der finanziellen Verpflichtungen herauszuwirtschaften.

Der BER ist ein Sanierungsfall

Die Kosten am BER bleiben stabil hoch. Die neuen Zahlen, also dass der BER Hilfen in der Größenordnung eines neuen Flughafens braucht, wundert mich nicht. Die FBB spielt dasselbe Spiel wie schon in der Bauphase, das Vertrauen in das Management ist aufgebraucht.

Schon jetzt muss an einer Eingewöhnungsstrategie gearbeitet werden

Die Kitas in Berlin sind seit dem Herbst geschlossen. Irgendwann werden sie wieder auf machen, doch schon heute muss in der Senatsverwaltung an einem großen Eingewöhnungskonzept gearbeitet werden – für alle Altersstufen.