Mein Berlin
Der Berliner Mietendeckel: Wir stecken inmitten einer Neiddebatte
Der Berliner Senat hat sich auf einen Mietendeckel geeinigt. Experten aus der Immobilienwirtschaft warnen vor den Folgen, derweil fluten Enteignungsfreunde das Netz mit Freude und Häme. Die deutsche Neidkultur ist wieder da.
Nachdem bekannt wurde, dass sich der Senat auf einen Entwurf zum Mietendeckel einigen konnte, gaben die Aktienkurse der großen Immobilienunternehmen an der Börse kräftig nach. Von ´Deutsche Wohnen & Co. enteignen` hieß es dazu nur auf Twitter: „Mit dem Mietendeckel die Entschädigungssumme für Enteignung nochmal verkleinern.“ In der abgelaufenen Woche wurde mein Parteifreund Sebastian Czaja im Berliner RBB bei einer Podiumsdiskussion niedergebrüllt.
Die Debatte ist längt nicht mehr zugänglich für Argumente. Es geht im Berliner Wohnungsmarkt nur noch darum, wer am lautesten trommelt. Die reichen Spekulanten und die armen Mieter. So lautet die einfache Gleichung links-grüner Stadtsozialisten. Doch die Gleichung ist falsch. Denn dass überhaupt hohe Renditen in Berlin möglich sind, liegt vor allem daran, dass die Berliner Landesregierungen in den abgelaufenen 20 Jahren viele Entscheidungen falsch oder gar nicht getroffen haben.
Das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter hat sich durch die mickrigen Neubauquoten in der Stadt gedreht. Waren es zur Jahrtausendwende noch die Mieter, die sich die Vermieter aussuchen konnten, ist es heute genau andersherum. Wohnungen sind Mangelware geworden in Berlin. Heute liegt der Anteil der Wohnungen, die frei sind, schon nur noch bei einem Prozent. Der Mietendeckel dürfte diese Marke quasi auf Null drücken. Zum Vergleich: 2003 lag dieser von Experten als Fluktuationsreserve bezeichnete Wert noch bei 5,1 Prozent. Wenn Sie nun eine Familie gründen und aus der 2-Zimmer-Junggesellenwohnung in eine 4-Zimmer-Wohnung umziehen wollen, haben sie auf dem Markt de facto kaum eine Chance.
Erst waren die Zugezogenen und die mit ihnen angeblich einziehende Gentrifizierung schuld an den hohen Mieten – „Schwabenhass“ hat sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Jetzt sind es die Immobilienbesitzer, die nach dem Geschmack der Enteignungsfantasten zu hohe Gewinne einfahren würden. Hier gesellt sich eine große Portion Neid in die Debatte. Dass die Preise in angesagten Vierteln steigen, ist so verwunderlich nicht. Wer glaubt, dass er im New Yorker Stadtteil Manhattan, in Londons Soho oder im 16. Arrondissment für sechs Euro kalt wohnen kann, der irrt gewaltig.
Nun ist Berlin nicht Paris, aber was gerade in der Stadt passiert, wird eher dafür sorgen, dass sich die Verhältnisse weiter angleichen. Denn nur die Investoren können die Preisspirale stoppen oder zumindest verlangsamen. Ihre Profession ist die Immobilienwirtschaft und natürlich geht es auch darum, Geld zu verdienen. Können wir das akzeptieren oder neiden wir denen, die in der Branche tätig sind, dass die Konjunktur gerade sehr gut läuft?
Dazu gehört auch, dass die Immobilienwirtschaft sehr viel komplexer ist: Es gibt neben den Investoren noch die Planer, die Architekten, die Projektentwickler, die Handwerker, die Rechtsberatung, die Makler und die Besitzer. Die Wertschöpfung hat demnach mehrere Parteien – alle verdienen Geld in und durch die Immobilienwirtschaft. An den Gelenkstellen der Immobilienwirtschaft finden sich auch Spekulanten, die eine Immobilie nur kurze Zeit halten und dann nach kurzer Zeit mit entsprechender Marge weiterverkaufen.
Auch das ist eine extreme Ausprägung eines Marktes. Die Spekulanten sind gerade deshalb erfolgreich, weil Wohnungen knapp sind und dadurch die Preise weiter steigen. Fragen Sie sich selbst: Was passiert mit den Spekulanten, wenn der Senat ernst machen und morgen eine Neubauoffensive starten würde?
In Deutschland sind wir immer schnell dabei, diejenigen zu verurteilen, die Erfolg haben. Diese Stigmatisierung geht einher mit vermutetem Reichtum, der sich in der Immobilienwirtschaft dieser Tage sammele. Diese falschen Annahmen wirken wie ein Brandbeschleuniger im Diskus. Es ist kein Verbrechen, reich zu sein. Es ist überdies keine Schande, weniger zu haben. Die Aufgabe von Politik muss es sein, dem gesamten Spektrum gerecht zu werden. Denn Vermieter leben nach denselben Gesetzen wie ihre Mieter. Im Gros sind die Verhältnisse zwischen Mieter und Vermieter übrigens auch fair. Lediglich der Sozialismus versteht unter dem Begriff ´fair` hochnoblen Theorie-Altruismus, der in der Realität bislang immer gescheitert ist.
Das Paradoxon ist, dass Berlin zig Stellschrauben hätte, um die Verhältnisse am Wohnungsmarkt zu verändern. Allein in der Berliner Innenstadt könnten 200.000 Wohnungen entstehen, wenn man eine Etage oben draufsetzen würde. Dazu gibt es in der Stadt noch viel Nachverdichtungsmöglichkeiten und unzählige Brachflächen, das Tempelhofer Feld steht exemplarisch dafür. Selbst an den Rändern, etwa in Berlin-Buch oder auf der Elisabethaue in Blankenburg, wäre Platz für Neubau. Dazu müsste endlich auch mal ein fairer Dialog über die vielen Kleingärtenflächen in der Stadt geführt werden. Das passiert nicht, gerade weil es von der Rot-rot-grünen Landesregierung nicht gewollt wird. Denn die Neiddebatte hilft denen, die deckeln und enteignen wollen, mehr als etwa Neubau. Denn plötzlich wäre ja der Druck aus dem Markt raus und die eigene Ideologie würde nicht weiter verfangen.
Der Berliner Wohnungsmarkt ist knapp, aber er ist eben immer noch ein Markt, in dem es ums Geldverdienen geht. Das ist die Motivation von Investoren, überhaupt auch nur eine Wohnung zu bauen – ob wir wollen oder nicht. Wer das anerkennen kann, der erkennt sodann auch an, dass Fleiß und cleveres Wirtschaften im Rahmen des Erlaubten zu unternehmerischem Erfolg führt. Es gibt auch die, die einfach nur Glück hatten. Lösen wir uns von der Neiddebatte, denn sie schürt nur Hass und Hetze, baut aber nicht eine Wohnung mehr in der Stadt.
Dieser Text erschien als Gastbeitrag auf handelsblatt.de am 22. Oktober 2019.